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| von Philipp Manderscheid

„Goethe und die Frauen“ – auf Augenhöhe mit dem Hätschelhans

„Die Kunst kommt aus den Mängeln der Menschen, aus ihren Qualen.“ Mit diesen Worten beschließt die Fuldaer Autorin Sophia Mott ihre 90minütige Lesung über Goethe und die Frauen aus ihrem gleichnamigen Buch, die im Rahmen der Reihe „Literatur im November“ am 26.11.2024 an unserer Schule stattgefunden hat.

Direkt zu Beginn äußert die Autorin ihr Bedauern darüber, dass das Hessische Kultusministerium den „Faust“ von der Pflichtlektüreliste genommen hat. Und so sind die Zuhörenden – Schülerinnen und Schüler der Q3 – vielleicht für lange Zeit die letzten Abiturienten, die sich mit Goethes bekanntestem Werk beschäftigen werden. Während Goethe im Deutschunterricht häufig als Universalgenie präsentiert wird, hat Sophia Mott mit ihrem Buch den Schülerinnen und Schüler einen deutlich nahbareren Zugang ermöglicht. Der „Hätschelhans“, so nannte Goethes Mutter Catharina Elisabeth Goethe ihren erstgeborenen Sohn, soll sich viele Jahre schwer getan haben mit dem weiblichen Geschlecht. Als Kind in seine Schwester vernarrt, soll er beleidigt gewesen sein, als diese schließlich geheiratet hat. Viele Jahre bemüht, sich nicht zu binden, habe Goethe zwar immer wieder Verhältnisse mit Frauen gehabt, diese jedoch so geführt, dass er sie gut in seine vielen literarischen Texte umwandeln konnte. Ernsthafte Absichten habe er selten gehabt, was auch an der dünnen Überlieferungslage Goethes Privatleben betreffend deutlich werde. Über die Liaisons seiner Zeitgenossen sei deutlich mehr bekannt, sodass der Verdacht nahe liege, dass Goethe primär so gelebt habe, dass seine Liebschaften vor allem als Schablone für seine Dichtung fungiert haben.
Doch auch darüber hinaus weiß Mott viel über Goethe zu erzählen, vieles davon macht dieses Urgestein der deutschen Kulturgeschichte deutlich menschlicher als es die unterrichtliche Auseinandersetzung mit dem „Faust“ ermöglicht. Goethe sei ein fauler Student gewesen und habe in Leipzig nur wenig Energie in sein Jurastudium gesteckt – einige Schülerinnen und Schüler mögen hier möglicherweise Parallelen zu ihren eigenen schulischen Bemühungen sehen und neue Hoffnung geschöpft haben, da auch ein wenig fleißiger Student Großes im Leben erreichen kann. Zudem habe Goethe während seines Aufenthalts in Straßburg seine Höhenangst überwunden, indem er regelmäßig den Turm des Straßburger Münster bestieg – auch hierin mag der ein oder die andere ein Vorbild in Goethe gefunden haben.
Mott beendet ihre Lesung mit einer eher gruseligen Anekdote. 1772 verfolgt Goethe in Frankfurt am Main den Fall der Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt, die 1771 ihr neugeborenes Kind tötete. Sie wurde verhaftet, in einem Strafverfahren entsprechend den damaligen Gesetzen zum Tode verurteilt und öffentlich in Frankfurt hingerichtet. Zu diesem „Event“, so muss man die morbide Veranstaltung beinahe nennen, seien auch Schulklassen angereist, so Mott. Auch wenn Goethe aller Entscheidungen des Kultusministeriums zum Trotz immer noch ein wesentlicher Stein der deutschen Literaturgeschichte ist, müssen wir doch erleichtert feststellen, dass die kulturellen Angebote für Schülerinnen und Schüler heutzutage doch um einiges interessanter und deutlich weniger makaber sind. Dass die Abiturientinnen und Abiturienten Sophia Motts Lesung begeistert verfolgt haben, zeigen eine ganze Reihe von Nachfragen am Ende des Vortrags und ein großer Beifall. Wir danken Sophia Mott für die kurzweilige und interessante Lesung, der den universalgelehrten „Hätschelhans“ etwas menschlicher hat werden lassen.

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